15. Etappe: Istanbul - Edirne
07.03.2012 - Während meines Istanbul-Aufenthalts habe ich mich etwas erholt. Das ist gut so, denn ich will so schnell wie es geht nach Bern fahren. Wie sich herausstellt, bin ich jetzt ziemlich in Form und schaffe nicht nur 230 Km und 1200 Hm, sondern kann mir auch noch leisten ziemlich spät abzufahren.
Auch wenn ich mir eigentlich vorgenommen hatte möglichst früh zu starten, frühstücke ich gemütlich auf der Dachterrasse. Die ersten Meter von der Herberge weg fahren Eric und ich noch zusammen, dann trennen sich unsere Wege. Er fährt in Richtung Georgien, Aserbaidschan, Kasachstan. Er ist auf einer Weltreise...
Ich habe meine Türkeikarte gegen seine Europakarte getauscht und habe vor seine Route zurück zu fahren. Ich will heute nach Edirne, er lacht mich aus. Er weiss ja genauso gut wie ich, wie weit das ist und es ist schon 9:30 Uhr. Zuerst muss ich mich mal wieder durch den Verkehr in Istanbul kämpfen...
Ich fahre auf einer nicht gerade schönen Strasse zum Radfahren, dafür macht sie keine Umwege sondern führt gerade den Hügel hoch. So steil hatte ich das gar nicht mehr in Erinnerung. Um Kräfte zu sparen schiebe ich. So richtig steile Hügel gibts auf dieser Strecke, in Fahrtrichtung Edirne vor allem in der Nähe von Istanbul, flach ist der Rest der Strecke aber auch nicht. Ohne Gangschaltungen sind Steigungen nicht grundsätzlich ein Problem für mich. Wenn eine Steigung aber zu steil wird sinkt meine Trittfrequenz bis ich es irgendwann nicht mehr schaffe, den toten Punkt zu überwinden, meinen Gang also nicht mehr tretten kann. Bei einer Steigung wie dieser hier könnte ich zwar noch fahren, aber das Verhältnis der gefahrenen Geschwindigkeit zur aufgewendeten Kraft stimmt einfach nicht mehr. Wenn ich schiebe bin ich zwar immer noch etwas langsamer, aber ich komme dafür nicht einmal ins Schwitzen...
Am Strassenrand stehen viele Fabriken und ich finde eine türkische Fahne. Mit Rückenwind geht es Richtung Edirne.
In der Nähe von Çorlu habe ich dummerweise meinen zweiten Platten. Ein Glassplitter hat sich durch meinen Reifen gearbeit. Es ist mittlerweile 16:12 Uhr. Dank dem Rückenwind habe ich aber schon eine von Erics Tagesetappen geschafft. Insgeheim ist es mein Ziel an einem Tag soviel zu fahren, wie Eric an zwei. Ich will so schnell wie möglich von Istanbul nach Bern fahren. Nicht gerade einfach, denn auch wenn es Eric im Vergleich zu mir ziemlich gemütlich genommen hat, ist er nach 3500 gefahrenen Kilometern (Toulouse - Istanbul) ein verdammt gut trainierter Fahrer. So ein Platten kostet natürlich Zeit. Zeit die ich ja eigentlich nicht habe...
Um das Hinterrad herauszumontieren, drehe ich das Rad um. Weil der Hinterreifen ziemlich abgefahren war, ersetze ich ihn. Nachdem der Platten repariert ist, geht es weiter, immer schön an Fabriken vorbei.
Çorlu liegt jetzt schon hinter mir. Diesmal habe ich die Stadt ohne es zu merken umfahren. Während ich leise vor mich hin fluchte, wann ich den endlich in dieses Çorlu komme, lag es schon bereits hinter mir. Laut meiner Landkarte ging die Strasse mitten durch Çorlu- das ist ja aber auch eine Europakarte, auf der nicht jedes Detail verzeichnet sein kann - und auch bei der Hinfahrt war mir keine Umfahrungsmöglichkeit aufgefallen...
Während die Sonne untergeht (hier um ungefähr 18 Uhr) sind es noch ungefähr 100 Km bis Edirne. Ich richte mich also auf eine lange Nacht ein. Um 19:30 erreiche ich Lüleburgaz, jetzt sind es noch 75 Km. An einer Tankstelle kaufe ich Schokolade, ich brauch jetzt etwas zuckerhaltiges. Der Tankwart läd mich zum Kaffee ein, ich schlürfe ihn so schnell wie möglich runter, ich will weiter. Trotzdem kommt es zu einer Art Gespräch, ich auf Deutsch er auf Türkisch, das ich zurück durch Bulgarien fahre freut ihn, er ist Bulgare. Nach dem Kaffee noch schnell einen Tee, dann gehts aber wirklich weiter. Ich fahre und fahre, so wie immer eigentlich. Kurz vor Havsa gerate ich in eine gross angelegte Polizeikontrolle. Ich werde herausgewunken und ich muss meinen Ausweis hervorsuchen, der natürlich ganz unten in meiner Tasche ist. Der mit der Ausweiskontrolle beschäftigte Polizist hat kein grosses Interesse an meinen Papieren, er überfliegt sie und ich darf weiter. Während ich meine Taschen wieder einräume werde ich ein bisschen darüber ausgefragt, was man denn auf so einer Tour alles mitnehmen und beachten sollte. Zwischen Havsa und Edirne übernachte ich dann an fast dem selben Ort wie auf der Hinfahrt, nur halt auf der anderen Seite der Strasse...