12. Etappe: Passo Campalongo, Passo Pordoi, Sellajoch, Grödner Joch
28.06.2012 - 105 Km, 2070 Hm. Pünktlich
um 7 Uhr stehe auf um zu Frühstücken und unterhalte mich dabei mit
den Radfahrern, mit denen ich mich schon am Vorabend ausgetauscht
habe. Das Ganze geht zwar so etwas länger als blosses
hinunterschlingen, aber macht auch erheblich mehr Spass. Nach einem
kleinen Einkauf geht es dann schliesslich wieder los. Aufgrund des
anstehenden Maratona des Dolomites sind in der Region sehr viele
Radfahrer unterwegs. Auf dem Weg zum Passo Campolongo gelingt es mir
sogar einige von ihnen zu überholen. Endlich mal wieder ein
Erfolgserlebnis!
Ich
fühle mich so richtig gut und ist auch der Passo Pordoi keine Sache.
Oben bemerke ich voller Entsetzen, dass sich die Schuhplatte am
rechten Schuh gelöst hat und für die schwammige Kraftübertragung
verantwortlich ist. Ich bitte zahlreiche Radfahrer um Hilfe, denn so
einen kleinen Inbusschlüssel wie ich jetzt bräuchte habe ich nicht
dabei. Ein Busfahrer will mir auch helfen, aber findet auch nichts
passendes in seiner Werkzeugkiste. An so einen kleinen Schlüssel
hatte ich nicht gedacht, weil ich nie auf die Idee gekommen wäre, so
einen zu benötigen. Doch es gibt ja noch Motorradfahrer, einer von
ihnen hat Inbusschlüssel aller erdenklicher Grössen und so bin ich
schon bald wieder fahrbereit.
Auch
mit dem Sellajoch habe ich nicht allzu sehr zu kämpfen und kann
wieder Rennradfahrer überholen. Heute rufen mir Radfahrer die mich
überholen öfters „bravo“ und dergleichen zu, doch damit nicht
genug: Ein Autofahrer hält beim Überholen inne und sein Beifahrer
fängt an Fotos von mir zu schiessen. Damit wird zwar der Verkehr
etwas blockiert, aber nur ganz kurz. Dann fahren sie weiter, um bei
der nächsten Gelegenheit anzuhalten und mit gezückten Kameras auf
mich zu warten. Oben angekommen gratulieren mir die beiden dann zu
meinem Erfolg und ich werde noch ein bisschen ausgequetscht. Wenig
später kommen dann noch die Holländer vom Vortag oben an. Auch mit
ihnen unterhalte ich mich noch kurz.
Auch
die Fahrt aufs Grödner Joch schaffe ich ohne grossen Kraftaufwand.
Es sind aber auch nur wenige Höhenmeter zu bewältigen.
Das
nächste Ziel heisst nun Brixen und zwar würde ich gerne über das
Würzjoch dorthin fahren. Ich bin nun auf einer stark befahrenen
Hauptstrasse unterwegs und es ist eine Zumutung. Nur wenige
Autofahrer überholen mit genügend Abstand. Interessanterweise
schaffen es nur Lkw-Fahrer mich beim Überholen nicht zu gefährden
und dies sogar ohne dafür ewig auf eine Gelegenheit zu warten. Es
ist wie so oft der Wille gesittet zu fahren darüber entscheidend, ob
die Strasse breit genug für alle Verkehrsteilnehmer ist... Unter
Umständen spielt es auch auch eine Rolle, ob der betreffende
Verkehrsteilnehmer Radfahrer mag...
Am
Fusse des Würzjochs lege ich mich für eine Stunde hin um kraft zu
sammeln, dann versuche ich es. Schon nach 500 m ist mein Puls ganz
oben, weil es so steil ist und die vergangenen Tage Spuren
hinterlassen haben. So geht das nun wirklich nicht. Ich mache kehrt und folge dem Tal. In der Nähe von Bruneck verfahre ich
mich, finde aber nach einer für meinen Geschmack zu langen Suche den
Radweg Richtung Brixen. Gegen Abend komme ich an einer Würstchenbude
vorbei und lass es mir schmecken. Anschliessend nehme ich mir in
Mühlbach ein Zimmer. Den Abend verbringe ich damit zuzusehen wie
Deutschland gegen Italien verliert. Weil mich Fussball nicht wirklich
interessiert wechsle ich aber öfters den Sender und schlafe
irgendwann ein.

