4. Etappe: Timmelsjoch, Kühtaisattel
20.06.2012 - 140 Km, 3700 Hm. Statt
mich früh schlafen zulegen geht es also wieder berghoch nach St.
Leonard im Passeiertal. Und so kommt es, dass ich an meinem Ruhetag
doch noch einige Kilometer mache. Die ausgelassenen Ruhetage werde
ich später noch bereuen, aber ausser Fahren kommt mir nicht viel in
den Sinn was ich alleine machen könnte...
Nachdem
ich eine Herberge gefunden habe, fange ich ich damit an mich mental
auf die anstehende Fahrt aufs Timmelsjoch vorzubereiten und geniesse
es wieder mal unter einer Dusche zu stehen. Nach zwei Nächten im
freien ist ein warmes Bett für mich wie das Paradies auf Erden und
so schlafe ich schnell ein. Da mein Ruhetag keiner war bin ich doch
ziemlich müde...
Auf
dem Weg decke ich mich in einer Bäckerei mit Lebensmitteln ein.
Langsam kündigt sich ein Regenschauer an und die mache es mir zum Essen im Trockenen gemütlich. Kaum sind die Wolken verschwunden,
verschwinde ich auch Richtung Kühtaisattel. Doch die Abzweigung
kommt und kommt nicht. An einer Tankstelle erkundige ich mich
deshalb, ob ich sie verpasst habe. Dem ist zum Glück nicht so. Weit
ist es jedoch nicht mehr.
Bevor
es wieder anstrengend wird muss ich nur noch schnell das Hinterrad zu
42/18 drehen und natürlich einkaufen. Als das erledigt ist, könnte
es von mir aus so schnell über den Kühtaisattel nach Innsbruck
weitergehen, doch es gibt ein riesiges Problem: Die Steigung ist so
was von zu steil, dass ich schieben muss. Ausserdem habe ich eine
schmerzende Blase an der Hand, die es mir verunmöglicht richtig am
Lenker zu ziehen um meinen Gang durchzudrücken. Ich halte insgeheim
nach einem Schlafplatz Ausschau, mache Pausen, lege mich für eine
halbe Stunde hin, fahre ein flaches Stück und schiebe wieder. So
komme ich nur sehr sehr langsam vorwärts, aber es geht irgendwie
doch. Als ich wieder einmal schiebe hält eine junge Frau an und
fragt, ob alles in Ordnung sei, sie habe mich eben schon vorher am
Pause machen gesehen. Ich beantworte die Frage mit ja, obwohl es
völlig nicht in Ordnung ist wenn ich so langsam voran komme, dass
sich Leute sorgen um mich machen. Der Kühtaisattel wird zu meiner
ersten absoluten persönlichen Niederlage auf dieser Tour. Es darf
nicht sein, dass ich einen Pass nicht fahren kann. Es ist zwar nicht
gerade einfach mit einem Gang, aber es ist grundsätzlich möglich
und ich habe es mir vorgenommen. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit
bin ich dann am Ziel, drehe das Hinterrad und es kann weitergehen.
Auf
der Abfahrt brause ich an einem ähnlich leidenden Rennradfahrer
vorbei. Dass es jemandem mit viel besseren Voraussetzungen auch nicht
besser geht, hilft mir etwas mich von meinen Selbstzweifeln zu
befreien.
Im
Tal angekommen gerate ich unter einen Wolkenbruch und ich flüchte
unter den Eingang eines Supermarkts. Das einzig gute an einem
Sommerregen ist, dass er meistens nur sehr kurz ist, sodass ich es
doch noch nach Innsbruck schaffe. Dort besorge ich als erstes mal
eine Pizza und erkundige mich nach der nächsten Jugendherberge. Der
Pizzabäcker weiss zwar nicht wo eine ist, schaut aber für mich im
Telefonbuch nach und ruft dort um zu fragen, ob es noch Platz für
mich hat. Es hat noch ein freies Bett und wieder angefangen zu
regnen. Mit einer Pizzaschachtel in der Hand fahre ich bei strömendem
Regen die drei oder vier Kilometer zur nächsten Herberge befördere
die Pizza in meinen Magen und schmeisse mich ins Bett.

